Rezension der Inselkönig
Lieber Herr Stirn,
Den ‚Inselkönig‘ habe ich gelesen. Der Anfang hat mich verblüfft, aber die Sprache zieht einen derart in die Geschichte hinein, daß man gar nicht widerstehen kann. Und dann hat es richtig Spaß gemacht – als Krimi-Parodie, als ein Reigen komisch-grotesker Figuren, als Satire – vor allem was die diversen Rituale anbetrifft – auch den Literaturkritiker habe ich ausgesprochen goutiert! Der Schluß paßt sehr gut, nach zwei Dritteln des Textes war ich auf ein solches Thema gefaßt. Natürlich hat mich persönlich die Gewalttätigkeit am Anfang abgestoßen, vor allem wie narzißtisch sie zelebriert wird, aber wie gesagt, man wird so sehr in die Geschichte hineingezogen, daß diese Allmachtsphantasien in ihrer märchenhaften Kindlichkeit ( und kindischen Form) spannend und interessant werden. Ich könnte einen solchen Text – vor allem mit dieser sprachlichen Leichtigkeit und Präzision – nicht schreiben, finde ihn aber sehr wichtig, weil er weg geht von allen eingeübten Mediendarstellungen und die Frage stellt, die man ganz dringend stellen muß und die man offenbar nur literarisch beantworten kann: warum sind all diese gutsituierten Durchschnitts- und Alltagsmenschen so fasziniert von Gewalt und Gewalttätigkeit?
Bis jetzt habe ich noch keinen Text gefunden, der literarisch so ironisch, spielerisch und zugleich schlüssig (im psychologischen Sinn) an die Sache herangegangen ist.
Anne Birk, 27.08.00